Dactylorhiza im Voralpenland

Juni 2017 | Oberbayern

Jedes Jahr Mitte Juni zieht es mich nach Oberbayern in die Region um den Schliersee. Das Spektrum an Lebensräumen vom Moor bis zur hochalpinen Almwiese ist für jeden Orchideenfreund ein absoluter Traum. Die Fingerwurzen | Dactylorhiza besiedeln in unterschiedlichem Artenmix dort quasi jede „Wiese“. Für mich ist das besondern interessant, da diese Gattung in meiner Heimat um Würzburg quasi nicht vorkommt.

Dactylorhiza | Fingerwurzen

Ich weiss gar nicht wie und wo ich anfangen soll. Die Gattung ist so artenreich, vielfältig und die Hybride zahlreich, dass mir ein sinnvoller Einstieg nicht recht einfallen mag. Der Gattung im Feld Herr zu werden gestaltet sich auch nicht so leicht. Nicht nur sind die Arten durchaus variabel im Erscheinungsbild, auch sind die Arten untereinander, vorallem für den Laien, auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden und die allgegenwärtigen Hybriden tun ihr Übriges um den geneigten Botaniker zur Verzweiflung zu treiben. Entziehen kann man sich den Fingerwurzen im Juni nicht, nahezu alle nicht mit „Nutztierscheisse eingestrichenen“ Wiesen leuchten im intensiven Violett der Orchideen.

Los geht es schon im Mai, wenn sich die Breitblättrige Fingerwurz | D. majalis, teilweise noch, durch letzte Schneereste kämpft. Der Rest folgt dann im Juni. Die Überschneidung in der Blütezeit ist jedenfalls groß genug um alle denkbaren Kombinationen an Hybriden zu ermöglichen. Aufgrund genetischer Nähe treten natürlich manche Kombinationen häufiger auf, wieder andere sind extrem selten, wie z.B. alle Kombinationen mit D. viridis.

Spitzing | Jägerkamp

Viele unserer Exkursionen erstrecken sich im Gebiet des Spitzings in der Nähe des Schliersees. Bemerkenswert in diesem Gebiet sind die relativ großen Vorkommen der Lappländischen Fingerwurz | D. lapponica. Hierbei finden sich Pflanzen sowohl im Auracher Moor am Fuße des Spitzings als auch auf den Almen bis hoch oberhalb des Sattels. Begleitend dazu finden sich natürlich an nahezu jedem Eck Fuchs‘ Fingerwurz und wenn es nur feucht genug ist Breitblättrige und Fleischfarbene Fingerwurz | D. majalis und A. incarnata. Nur vereinzelt findet sich hier Traunsteiners‘ Fingerwurz | D. traunsteineri, die Strohgelbe Fingerwurz | D. ochroleuca habe ich dort noch nicht gefunden. Auf den Almen gesellt sich dann noch die Grüne Hohlzunge | D. viridis dazu.

Dactylorhiza fuchsii | Fuchs‘ Fingerwurz

Dactylorhiza lapponica | Lappländische Fingerwurz

Lässt man den Sattel deutlich hinter sich und klettert noch weiter nach oben findet sich unter anderem eine alpine Unterart der Breitblättrigen Fingerwurz, nämlich D. majalis ssp. alpestris. Auch die Grüne Hohlzunge lässt sich von der Höhe nicht abschrecken und ist eine der allgegenwärtigen Arten auf den höher gelegenen Almen.

Dactylorhiza majalis ssp. alpestris | Alpine Unterart Breitblättrige Fingerwurz

Dactylorhiza viridis | Grüne Hohlzunge

Murnau

Wer es noch nicht gesehen hat, kann sich nicht vorstellen wie beeindruckend es aussieht wenn mehrere Tausend Pflanzen auf eine Fläche von einem oder zwei Fussballfeldern blühen. Zu sehen gibt es das immer auf der jährlichen Exkursion nach Murnau, die häufigste Art dort ist Traunsteiners Fingerwurz | D. traunsteineri, obgleich man die anderen dort vorkommenden Arten auch als durchaus individuenreich bezeichnen kann. Hier haben wir schon sehr seltene Hybride mit Beteiligung der Strohgelben Fingerwurz | D. ochroleuca gefunden. Letztes Jahr sogar Dactylorhiza x lillsundica, die Hybride von D. fuchsii und D. ochroleuca. Ob es davon bisher schonmal einen Nachweis in Bayern gab konnte ich nicht final klären.

Dactylorhiza traunsteineri | Traunsteiners Fingerwurz

Dactylorhiza x lillsundica | Hybride von Fuchs‘ und Strohgelber Fingerwurz

Dactylorhiza ochroleuca | Strohgelbe Fingerwurz

Dactylorhiza traunsteineri | Traunsteiners Fingerwurz rosa Farbvariante

Aber eben auch die Hybride von D. ochroleuca mit D. traunsteineri und D. incarnata konnten wir dort finden. Murnau ist wirklich ein Paradies für Orchideenfreunde, was es dort sonst noch so neben den Fingerwurzen gibt könnt Ihr in einem extra Beitrag lesen. Auch das lohnt sich, denn die ein oder andere Rarität kann der aufmerksame Botaniker dort finden.

Dactylorhiza x versicolor | Hybride von Fleischfarbener und Strohgelber Fingerwurz

Dactylorhiza x gotlandica | Hybride von Traunsteiners und Strohgelber Fingerwurz

Und sonst so?

Und sonst so … lohnt es sich mit offenen Augen durch das Voralpenland zu fahren/laufen, das auffällige Violett der Orchideenblüten lässt sich auch aus einiger Entfernung gut erkennen.

Das Glück ist mit den Tüchtigen

Wir hatten auch das Glück zwei intergenerische Hybriden finden zu können. Diese Hybriden mit Pflanzen anderer Gattungen sind wirklich äußerst selten und Funde tatsächlich Glücksfälle. So konnten wir in einem Jahr eine Pflanze xDactylodenia gracilis finden. Diese Hybride aus D. fuchsii und G. conopsea ist Berichten zu Folge nicht nur sehr selten sondern auch noch sehr kurzlebig (was natürlich auch auf die Seltenheit einzahlt). Außerdem haben wir in 2017, und das war wirklich bemerkenswert, 10 Pflanzen xDactylodenia vollmannii gefunden. Diese Hybride aus D. incarnata und G. conopsea ist wesentlich robuster und die erste Pflanze, die wir vor 2014 gefunden haben hat auch 2017 wieder geblüht

xDactylodenia gracilis oder xDactylodenia st-quintinii | Hybride von Fuchs‘ Fingerwurz und Mücken-Händelwurz

xDactylodenia vollmannii | Hybride von Fleischfarbener Fingerwurz und Mücken-Händelwurz

  • Orchideen

    Meine größte Leidenschaft nach meiner Familie

    Nichts fasziniert mich mehr in der Natur als die wild wachsenden Orchideen Europas. Alle werde ich nie zu Gesicht bekommen, aber ich hoffe die Liste ist noch lange nicht am Ende und ich kann jedes Jahr neue Arten hinzufügen.